Barrierefreiplan Natur - Zum Begriff der Barrierefreiheit

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Zum Begriff der Barrierefreiheit

Grafische Darstellung des mehrdimensionalen Modells von Barrierefreiheit
Mehrdimensionales Modell von Barrierefreiheit (B)
Heiden, 2005

„Barrierefrei“ ist ein mehrdimensionaler Begriff, der vor über zehn Jahren in die relevanten DIN-Normen und den Bauordnungen der Bundesländer Eingang fand. Die Anfänge der Barrierefreiheit entstammen den 50er Jahren der USA: Dort hieß es „Barrier-free-Movement“. Es waren die behinderten Kriegsveteranen und die Behindertenorganisationen, die auf die physischen Barrieren in der bebauten Umwelt hinwiesen und Abhilfe verlangten.

Dieser „barrierefrei-Ansatz“ fand in Deutschland Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre Resonanz und zwar in den DIN-Normen. Die bestehende „Behinderten-Bau-DIN“ 18025 Teil 1 und Teil 2, heißt seitdem „Barrierefreie Wohnungen – Wohnungen für Rollstuhlbenutzer“ und „Barrierefreie Wohnungen“.

1998 folgte die Norm 18024 Teil 1 und Teil 2, die die barrierefreie Gestaltung von öffentlichen Gebäuden und Arbeitsstätten, Straßen, Wegen und Plätzen beschreibt. In vielen Landesbauordnungen fand der Begriff so ebenfalls Eingang. Beide Baunormen, die DIN 18024 und 18025 werden derzeit überarbeitet und sollen in absehbarer Zeit (voraussichtlich 2006) zusammengefasst als DIN 18030 veröffentlicht werden.

Weitere barrierefrei-Normen im baulichen Bereich sind die DIN 33492 „Barrierefreie Spielplatzgeräte“ und die Aufzugsnorm TRA 1300 „Vereinfachte Personenaufzüge“. Die DIN 32984 regelt den Einsatz von Bodenindikatoren. Ein barrierefrei-Prüfsiegel ist über die Gesellschaft DIN CERTCO mittlerweile auch schon erhältlich.

Barrierefreiheit umfasst alle Lebensbereiche

Barrierefreiheit geht jedoch weit über den reinen Baubereich hinaus und umfasst auch die Bereiche Verkehrsmittel und Verkehrstechnik, Informations- und Kommunikationsanlagen und natürlich auch alle Produkte und Konsumgüter von der Gabel über den Videorecorder bis zum Internet. Um dies ansatzweise technisch umsetzen zu können, wurde im Jahr 2002 der DIN-Fachbericht 124 „Gestaltung barrierefreier Produkte“ veröffentlicht, in dem ausdrücklich festgestellt wird, dass „technische Produkte für möglichst alle Menschen konstruiert und hergestellt werden“ müssen.

Erstmals gesetzlich definiert ist der Begriff der Barrierefreiheit in § 4 des BGG sowie ein Jahr später wortgleich in Artikel 4 des BayBGG:

„Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.“

Die Regelungen zur Barrierefreiheit betreffen in erster Linie die Bundesbehörden beziehungsweise die Landesbehörden, für die sie verpflichtend sind. Für Menschen mit Behinderung bedeutet diese Definition für den Umgang mit staatlichen Einrichtungen in der Praxis Folgendes:

Personen, die einen Rollstuhl nutzen, haben Anspruch auf ebenerdige Zugänge, nutzbare Toiletten und Lifte. Blinde und sehbehinderte Menschen haben Anspruch auf alternative Medien in der Kommunikation (wie Brailleschrift oder Hör-Versionen oder Audiodeskription). Schwerhörige Menschen haben Anspruch auf Induktionsanlagen bei Veranstaltungen oder Untertitel im Fernsehen, gehörlose Menschen haben Anspruch auf Gebärdensprachdolmetschung und Menschen mit Lernschwierigkeiten haben einen Anspruch auf Leichte Sprache.

Damit dies auch im Detail geregelt ist, wurden parallel zum BGG drei Verordnungen geschaffen:

  • Verordnung über barrierefreie Dokumente in der Bundesverwaltung
  • Barrierefreie Informationstechnik- Verordnung“ (BITV)
  • Verordnung zur Verwendung von Gebärdensprache und anderen Kommunikationshilfen

Auf Basis der Landesgleichstellungsgesetze sind teilweise ähnliche Verordnungen entstanden. Diese Regelungen gelten, wie gesagt, nur für die öffentlichen Dienststellen und Behörden.

Zielvereinbarungen zur Barrierefreiheit für private Rechtsträger

Für private Unternehmen sieht das Behindertengleichstellungsgesetz des Bundes den Abschluss von sogenannten „Zielvereinbarungen“ vor. Anerkannte Behindertenverbände können mit privaten Einrichtungen zivilrechtliche Verträge zur Erreichung der Barrierefreiheit schließen. Der Deutsche Behindertenrat, ein Arbeitsbündnis der deutschen Behindertenorganisationen, hat dazu eine Musterzielvereinbarung ausgearbeitet. Anfang Mai 2005 wurde vom Aktionsbündnis für barrierefreie Informationstechnik (AbI) eine Musterzielvereinbarung zur barrierefreien Informationstechnik erarbeitet.

Im Frühjahr 2005 wurde die erste Zielvereinbarung auf Bundesebene von Behindertenverbänden mit dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) geschlossen, die sich „Mindeststandards für die Kategorisierung barrierefreier Hotels und Gastronomiebetriebe in Deutschland“ nennt.

Barrierefreiheit im Naturerlebnis

Probleme mit dem Barrierefrei-Ansatz gibt es natürlich an den Stellen, wo wir es nicht mit „gestalteten Lebensbereichen“ - wie es im Gesetz heißt - zu tun haben, sondern mit „natürlichen Lebensbereichen“. Das Konzept der gleichberechtigten Teilhabe sieht ausdrücklich nicht (!) vor, dass Dünen abgetragen oder Hochmoore asphaltiert werden müssen, damit Barrierefreiheit umgesetzt werden kann. Hier ist kreatives Potenzial gefragt, und Menschen im Rollstuhl wird ein Aufstieg zum Watzmann zweifellos versagt bleiben, aber in vielen Fällen kann auch im Naturraum mit den existierenden Standards und Prinzipien zur Barrierefreiheit geplant werden. Bei von Menschen angelegten Bereichen, etwa bei Naturinformationszentren oder bei Naturerlebnispfaden haben wir es allerdings wieder mit „gestalteten“ Lebensbereichen zu tun, und hier kann man und muss das Barrierefrei-Konzept konsequente Anwendung finden.

Fazit

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass sich der Begriff „barrierefrei“ immer auf alle behinderten Menschen mit ihren unterschiedlichen Beeinträchtigungen bezieht, auch wenn er - umgangssprachlich - noch manchmal (fälschlicherweise) nur für Personen im Rollstuhl verwendet wird. Barrierefreiheit ist deshalb kein statischer und eindimensionaler Zustand, sondern ist immer dynamisch, mehrdimensional und prozesshaft zu verstehen. Die nachstehende Grafik soll dies ansatzweise verdeutlichen: